Frauen leben länger – aber oft in schlechterer Gesundheit. Was nach einem biologischen Zufall klingt, ist in Wahrheit ein strukturelles Problem: der Gender Health Gap. Auch in Deutschland hat dieses Ungleichgewicht drastische Folgen – für Frauen, für die Gesellschaft und für unsere Wirtschaft.
Was ist der Gender Health Gap?
Der Begriff beschreibt die systematische Benachteiligung von Frauen im Gesundheitssystem. Medikamente werden zu selten an weiblichen Probandinnen getestet, viele Krankheiten bei Frauen bleiben unerkannt oder werden zu spät behandelt. Symptome bei Frauen – etwa bei Herzinfarkten oder Autoimmunerkrankungen – werden zu häufig als „psychisch“ abgetan. Die Folge: falsche Diagnosen, unnötiges Leid, wirtschaftliche Ausfälle.
Die globale Dimension – und was sie für Deutschland bedeutet
Laut einer umfassenden Studie des McKinsey Health Institute („Blueprint to close the women’s health gap“, 2024) verursacht die unzureichende gesundheitliche Versorgung von Frauen weltweit einen jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden von rund 966 Milliarden Euro.
Besonders hohe wirtschaftliche Belastungen entstehen laut der Studie (zitiert im Handelsblatt) durch folgende Erkrankungen:
-
Regelbeschwerden & PMS: 111 Mrd. € weltweit
-
Migräne: 77 Mrd. €
-
Endometriose: 11,6 Mrd. €
-
Koronare Herzkrankheit: 42 Mrd. €
-
Gebärmutterhalskrebs: 9,7 Mrd. €
-
Brustkrebs: 8,4 Mrd. €
Diese Zahlen sind weltweite Schätzungen – Deutschland ist hiervon anteilig betroffen, trägt aber weder die vollständige Last noch schöpft es das mögliche Einsparpotenzial bisher aus.
Was bedeutet das für Deutschland?
Deutschland macht etwa 4–5 % der globalen Wirtschaftsleistung aus. Hochgerechnet ergibt sich daraus ein Potenzial von rund 40–45 Milliarden Euro pro Jahr, die durch frühere Diagnosen, gezieltere Behandlungen und gerechtere medizinische Versorgung eingespart bzw. gewonnen werden könnten.
Die konkreten Auswirkungen hierzulande:
-
Überdurchschnittlich viele Krankheitstage bei Frauen
-
Häufige Fehldiagnosen und lange Wartezeiten bei frauenspezifischen Erkrankungen wie Endometriose
-
Frauen brechen häufiger berufliche Karrieren wegen gesundheitlicher Belastung ab
-
Medizinische Forschung ist bis heute überwiegend männlich geprägt
Was es jetzt braucht:
-
Geschlechtersensible Forschung und Versorgung
-
Mehr Sichtbarkeit und Bewusstsein für frauenspezifische Erkrankungen
-
Förderung von FemTech und Innovation in Diagnostik und Therapie
-
Verankerung des Themas in gesundheitspolitischen Strategien auf Bundes- und Landesebene
Der Gender Health Gap kostet nicht nur Lebensqualität – er kostet Milliarden. Deutschland kann es sich nicht leisten, die Hälfte der Bevölkerung weiterhin medizinisch zu benachteiligen. Gesunde Frauen bedeuten ein gesundes Land – und eine starke Gesellschaft.
📎 Quellen:
🔹 Handelsblatt: „Frauengesundheit: Schließen der Gesundheitslücke könnte Milliardensummen freisetzen“
🔹 McKinsey Health Institute (2024): Blueprint to close the women’s health gap