Das Bürgergeld, ein Thema, das momentan von allen Seiten befeuert wird. Politiker und Medien sprechen viel darüber, aber wer sind eigentlich die Menschen, die darauf angewiesen sind? Und ist es wirklich gerecht, sie pauschal zu stigmatisieren? In diesem Beitrag möchte ich versuchen, Licht in diese Debatte zu bringen und gleichzeitig die Frage aufwerfen, ob es nicht an der Zeit ist, über die Bezeichnung „Bürgergeld“ selbst nachzudenken.
Wer sind die Menschen im Bürgergeld?
Zunächst einmal, wer profitiert wirklich vom Bürgergeld? Es ist wichtig zu verstehen, dass der Begriff „Bürgergeld“ für ein System von Sozialleistungen steht, das Menschen in schwierigen Lebenssituationen helfen soll. Aber wer sind die Empfänger?
Laut den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts (2024) verteilen sich die Empfänger des Bürgergeldes in verschiedene Kategorien:
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Langzeitarbeitslose: Etwa 35% der Bürgergeldempfänger sind Menschen, die schon länger als ein Jahr arbeitslos sind. Viele von ihnen haben aufgrund von persönlichen oder strukturellen Umständen, wie mangelnder Ausbildung oder gesundheitlichen Problemen, Schwierigkeiten, eine Stelle zu finden.
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Arbeitssuchende mit Kindern: Rund 25% sind Menschen, die zwar arbeitsfähig sind, aber mit der Herausforderung der Kinderbetreuung konfrontiert sind. Hier besteht oftmals ein Spannungsfeld zwischen der Suche nach einer Arbeitsstelle und der praktischen Möglichkeit, Arbeit und Familie zu vereinbaren.
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Arbeitsunfähige oder krankheitsbedingt eingeschränkte Personen: Ungefähr 20% der Empfänger sind aufgrund von gesundheitlichen Problemen oder Behinderungen vorübergehend oder dauerhaft arbeitsunfähig. In vielen Fällen können diese Menschen mit einer angepassten Beschäftigung durchaus einen Beitrag leisten, haben jedoch keine Möglichkeit, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren.
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Geringverdiener und Aufstocker: Rund 15% der Bürgergeldempfänger arbeiten bereits, jedoch in Teilzeit oder unterhalb des Existenzminimums. Sie erhalten Unterstützung, um ihre Grundbedürfnisse zu decken, da ihr Einkommen nicht ausreicht, um sich und ihre Familie zu versorgen. (In Deutschland sind etwa 18,36 % der Bürgergeldempfänger Alleinerziehende mit einem oder mehreren Kindern. Von diesen Alleinerziehenden beziehen 55 % mit einem Kind, 30 % mit zwei Kindern und 15 % mit drei oder mehr Kindern Bürgergeld. Diese Zahlen verdeutlichen, dass Alleinerziehende einen erheblichen Anteil der Bürgergeldempfänger ausmachen und oft auf diese Unterstützung angewiesen sind, um ihre Grundbedürfnisse zu decken.)
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Sonstige: Die restlichen 5% setzen sich aus verschiedenen anderen Gruppen zusammen, wie z.B. Rentner, die zusätzlich zum Bürgergeld eine Rente erhalten, oder Menschen, die in Übergangsphasen (z.B. nach Verlust der Wohnung) leben.
Die Stigmatisierung der Bürgergeldempfänger – Ist das fair?
Es ist leicht, Menschen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, als „Faulenzer“ oder „Hängemattenmentalität“ zu bezeichnen. Doch dieses Bild greift viel zu kurz und wird der Realität nicht gerecht. Die meisten Empfänger des Bürgergeldes sind keine „Arbeitsverweigerer“, sondern kämpfen mit sehr realen Herausforderungen, die oft schwer zu überwinden sind.
Viele Langzeitarbeitslose sind aufgrund von Faktoren wie gesundheitlichen Problemen, mangelnder Qualifikation oder fehlenden Unterstützungsstrukturen schlichtweg nicht in der Lage, eine Vollzeitstelle zu finden. Wer will ernsthaft behaupten, dass ein Mensch, der aufgrund einer Krankheit oder einer Behinderung nicht arbeiten kann, faul ist? Wer stellt infrage, dass eine alleinerziehende Mutter es nicht unglaublich schwer hat, Arbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen?
Die pauschale Stigmatisierung von Bürgergeldempfängern ist also nicht nur unfair, sondern auch kontraproduktiv. Sie entmenschlicht eine große Zahl von Menschen, die durchaus bereit sind, wieder in den Arbeitsmarkt einzutreten, aber aufgrund von Umständen, die sie nicht immer selbst beeinflussen können, aus dem System gefallen sind.
Brauchen wir einfach nur eine neue Bezeichnung?
Ein weiteres Thema, das immer wieder aufkommt, ist die Frage der Bezeichnung „Bürgergeld“. Vielleicht wäre es sinnvoll, über die Terminologie nachzudenken. Begriffe wie „Hartz IV“ oder „Bürgergeld“ sind mittlerweile so negativ belastet, dass sie allein schon eine Stigmatisierung mit sich bringen. Ein neutrales, vielleicht sogar positiver klingendes Wort könnte dazu beitragen, die Wahrnehmung zu verändern und den Fokus stärker auf die Unterstützung und Hilfe für die betroffenen Menschen zu legen.
Es wäre ein Schritt in Richtung Entstigmatisierung, wenn wir von Sozialleistungen als „Hilfe zur Selbsthilfe“ oder „Übergangsunterstützung“ sprechen würden, anstatt mit Begriffen zu hantieren, die zu sehr an Mangel und Versagen erinnern.
Und was machen wir mit Menschen, die arbeiten könnten, aber nicht wollen?
Natürlich gibt es auch Menschen, die arbeiten könnten, aber sich bewusst gegen den Arbeitsmarkt entscheiden. Hier stellt sich die Frage nach der Verantwortung: Muss der Staat diese Menschen weiterhin unterstützen, obwohl sie die Möglichkeit hätten, sich selbst zu versorgen? Die Antwort darauf ist nicht einfach.
Eine Lösung könnte in der konsequenten Prüfung der Arbeitsfähigkeit und der Unterstützung durch Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen liegen, anstatt einfach pauschal Leistungen zu kürzen oder zu streichen. Wer auf Unterstützung angewiesen ist, sollte nicht mit der Angst leben müssen, ohne Hilfe dazustehen, aber gleichzeitig sollte es Anreize geben, sich aktiv um eine Verbesserung der eigenen Situation zu bemühen.
Butter bei die Fische: Rechtliche Grenzen der Sozialhilfe: Wann eine Kürzung oder Streichung unzulässig wäre
Wenn es um die Frage geht, ob man Menschen rechtlich jede finanzielle Unterstützung einfach so streichen kann, gibt es klare Grenzen im deutschen Recht. Eine willkürliche Streichung von Sozialleistungen, wie dem Bürgergeld, würde gegen mehrere rechtliche Grundsätze und Gesetze verstoßen:
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Grundrecht auf Existenzsicherung: In Deutschland ist die soziale Sicherheit durch das Grundgesetz (GG) geschützt. Artikel 1 GG garantiert die Würde des Menschen, und Artikel 20 GG verpflichtet den Staat, das soziale Netz zu wahren. Das bedeutet, der Staat ist verpflichtet, ein Existenzminimum zu gewährleisten, das den Grundbedarf für Leben, Wohnen und Arbeitssuche deckt.
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Sozialstaatsprinzip: Nach Artikel 20 GG ist die Bundesrepublik Deutschland ein Sozialstaat. Das bedeutet, der Staat muss für soziale Sicherheit sorgen und für die Bedürftigen Unterstützung leisten. Eine unrechtmäßige oder ungerechtfertigte Kürzung von Sozialleistungen würde dieses Prinzip verletzen.
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Recht auf Sozialleistungen: Menschen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, haben einen rechtlichen Anspruch auf Sozialleistungen, wie das Bürgergeld. Diese Ansprüche ergeben sich aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Eine unrechtmäßige Streichung der Leistungen wäre ein Verstoß gegen diese Gesetze und könnte vor Gericht angefochten werden.
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Verhältnismäßigkeit: Eine Streichung von Sozialleistungen muss immer verhältnismäßig sein. Wenn jemand Anspruch auf Bürgergeld hat, dürfen die Leistungen nur unter bestimmten Umständen (wie z.B. fehlender Mitwirkung oder Täuschung) reduziert oder gestrichen werden. Eine willkürliche Kürzung ohne rechtliche Grundlage würde gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.
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Gegenseitige Rechte und Pflichten: Wenn Menschen ihre Pflichten nicht erfüllen, wie zum Beispiel die aktive Arbeitssuche, können Sanktionen verhängt werden. Aber auch hier gelten klare Regeln: Sanktionen müssen immer im Rahmen des Gesetzes erfolgen, und eine vollständige Streichung der Leistungen ist in der Regel nicht zulässig. Das Recht auf Existenzsicherung bleibt grundsätzlich bestehen.
Zusammengefasst: Eine willkürliche und pauschale Streichung von finanzieller Unterstützung wie dem Bürgergeld verstößt gegen Grundrechte und die rechtlichen Verpflichtungen des Sozialstaats. Es gibt jedoch auch Bedingungen, unter denen eine Kürzung oder Streichung rechtlich zulässig ist, aber diese müssen auf rechtlich fundierten und fairen Verfahren beruhen.
Meine Gedanken zum Bürgergeld
Das Bürgergeld ist ein notwendiges System, das vielen Menschen in schwierigen Lebenslagen hilft. Wir müssen jedoch aufhören, pauschal zu urteilen und diejenigen zu stigmatisieren, die darauf angewiesen sind. Vielmehr sollten wir die verschiedenen Gruppen differenziert betrachten und Lösungen finden, die die Menschen tatsächlich aus der Armutsfalle herausführen. Gleichzeitig brauchen wir ein System, das auf echte Anreize setzt, Menschen, die es können, wieder in Arbeit zu integrieren, anstatt sie in einer passiven Haltung zu belassen.
Gesellschaftlich ist es jedoch nicht tolerierbar, dass sich Menschen bewusst und langfristig einer möglichen Arbeit entziehen und den Sozialstaat sowie damit andere Mitmenschen finanziell ausnutzen. Hier braucht es klare Maßnahmen, die nicht nur die Menschen unterstützen, die Hilfe wirklich benötigen, sondern auch solche dazu anregen, Verantwortung für ihre eigene Zukunft zu übernehmen. Eine Lösung könnte in einer flexiblen und individuell zugeschnittenen Unterstützung liegen, die Weiterbildung, Umschulung und Arbeitsanreize stärker integriert. Gleichzeitig sollten Sanktionen oder Einschränkungen für diejenigen, die sich absichtlich der Arbeitsaufnahme entziehen, klarer kommuniziert und konsequent umgesetzt werden. Es geht nicht darum, den Druck zu erhöhen, sondern vielmehr darum, die Balance zwischen Unterstützung und Verantwortung zu wahren, um eine faire und gerechte Gesellschaft zu fördern.
Vielleicht ist es an der Zeit, über eine andere Bezeichnung nachzudenken – eine, die nicht nur den Zweck der Unterstützung widerspiegelt, sondern auch den Mut, die Schwierigkeiten zu überwinden, und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.